QM tut gut: Wie sich Architekten und Ingenieure wieder aufs Wesentliche konzentrieren können

Lean Management in Architektur- und Planungsbüros 4 (GeeMco: Götz Müller Consulting)

Im vierten Teil der kleinen Serie über Lean Management in Planungsbüros geht um etwas, das in der klassischen Industrie schon seit langem dazu gehört. Im Grunde mindestens seit der "Erfindung" bzw. Einführung des Fließbands in der Automobilproduktion durch Henry Ford, zuvor wurden vergleichbare Ansätze schon im Schiffbau des späten Mittelalters bis zur frühen Neuzeit eingesetzt - das Schaffen von Standards.

Standards positiv verstehen!

Es geht um die Standardisierung sowohl von Vorgehensweisen und Abläufen als auch in beschränkten Maß von Produkten und Dienstleistungen. Im Schwerpunkt geht es in diesem Artikel um die Standardisierung der Vorgehensweisen und Abläufe. Wie schon im zweiten Artikel dieser Serie erwähnt soll mit der Standardisierung nicht die kreative Freiheit der Planer beschnitten werden. Denn wie es in Japan heißt:

 

"Ein Standard ist die einfachste, leichteste und sicherste Art und Weise, etwas zu tun."

 

Durch die einzelnen Elemente der handwerklichen Leistungen spielt die Standardisierung der Vorgehensweise dabei eine immer wichtigere Rolle. Erkennbar ist dies auch an aktuellen Diskussionen über die Abgrenzung der Gewährleistung zwischen der Arbeitsleistung und den eingesetzten Materialien. Mittelweile haben die eingesetzten Materialien und die damit einhergehenden Gewährleistungsthemen ein Ausmaß erreicht, das es notwendig macht, auch die Hersteller mit in die Gewährleistung nehmen.

Diese Gewährleistungsansprüche an die Hersteller machen es gleichzeitig notwendig, Verarbeitungsvorschriften zu definieren, um im Schadensfall die Verantwortlichkeiten abgrenzen zu können. Die Verarbeitungsvorschriften sind damit die Basis für notwendige Arbeitsstandards, denen sich kaum noch ein Gewerk entziehen kann.

In der Folge entsteht dann natürlich sehr schnell die Frage, wie diese Arbeitsstandards in den ausführenden Gewerken erreicht werden können, speziell aufgrund der Tatsache, dass es sich eben in vielen Fällen um manuelle Tätigkeiten handelt, bei denen keine Maschine einen an sich schon reproduzierbaren Rahmen vorgibt.

Vorbeugendes QualitätsManagement statt "nachfolgender" Qualitätssicherung

In der Vergangenheit wurden in der Industrie teilweise qualitätssichernde Maßnahmen eingeführt. Leider hat sich dadurch der Fokus von der Qualitätssicherung im Rahmen der Ausführung auf eine Qualitätssicherung im Rahmen einer abschließenden Prüfung verschoben. Diese ist jedoch immer erst nachfolgend wirksam und deshalb im Grund selbst schon eine Verschwendung (weil selbst nicht direkt wertschöpfend). In meinen Augen besteht im Baugewerbe mit der verbundenen Planung und Steuerung eine vergleichbare Gefahr. Diese wirkt sich dort sogar noch verstärkend aus, da viele "Produktionsfehler" nur bei der Entstehung beobachtet werden können, aber im nachhinein bei der Abnahme oft schon durch Folgeschritte überdeckt wurden. Ein fehlender Tiefgrund einer Trockenmauer oder fehlender Isoliergrund kann bei der Abnahme nur durch aufwändige Maßnahmen überprüft werden.

Dieses Dilemma kann in der Regel nur stichprobenartig während der Bauausführung behoben werden, erfordert aber die Präsenz der Bauleitung zu den fraglichen Zeitpunkten. Aus diesem Grund ist es wichtig, einen zentralen Aspekt des Pull-Prinzips auch in der Bauausführung anzuwenden. Dabei handelt es sich um das Verständnis für die korrekte Art der Bauausführung bei allen Beteiligten (ausführende Gewerke und Bauleitung). Diese sollte dann konsequent vor Beginn der Arbeiten überprüft werden. Die Nennung im Rahmen der Leistungsbeschreibungen bleibt zwar eine notwendige Voraussetzung, kann aber keine Garantie für die korrekte Ausführung sein.

Um den Faktor Zufall zu reduzieren, kann auch die Forderung nach Werkerselbstaufschreibung (Selbstkontrolle anhand von Checklisten und anderen arbeitsbegleitenden Aufzeichnungen) ein gangbarer Weg sein, der jedoch in der Baubranche (noch) ungewöhnlich ist und deshalb unter Umständen auch auf Widerstände stoßen kann. Die oben erwähnte zunehmende Komplexität der Bauausführung und Materialverarbeitung kann dabei eine Argumentationshilfe sein, ebenso wie der Verweis auf den Einsatz von Checklisten im Luftverkehr.

Bei der Standardisierung spielt dabei auch die Fortbildung hinsichtlich des Einsatzes moderner Materialien und deren Verarbeitung sowohl auf Seiten der ausführenden Gewerke wie auch auf Seiten der planenden und kontrollierenden Funktionen der Architektur- und Ingenieurbüros eine wichtige Rolle. Der bewusste Umgang mit Fragetechniken (offene statt geschlossene Fragen) kann dabei ebenfalls eine wirksame Rolle spielen.

"Lauern" auf Fehler anderer Baubeteiligten schadet dem Bauherrn und dem Image der Branche

Die Kommunikation gewünschter Arbeitsstandards im Vorfeld der Ausführung ist ein wichtiges Element in der Schaffung dieser Standards. Auch hier ist es wichtig, die kundenorientierte Zusammenarbeit zwischen den Gewerken und in Kooperation mit der Bauplanung, -steuerung und -kontrolle in den Vordergrund zu stellen statt dem leider immer noch weit verbreiteten Lauern auf Fehler der anderen, was zwar möglicherweise kurzfristig wirtschaftliche Vorteile in Form von Nachträgen oder Kürzungen bringen mag, aber am Bedürfnis der Kunden (Bauherren) völlig vorbeigeht, langfristig die Situationen nur verschärfen kann und ultimativ einen schlechten Leumund bei allen Beteiligten verursacht.


Götz Müller ist Ingenieur, Berater, Redner, Autor, Blogger und Podcaster Götz Müller ist Ingenieur, Berater, Redner, Autor, Blogger und Podcaster

 

Götz Müller

ist Ingenieur, Berater, Redner, Autor (NLP in der Lean-Praxis – Menschlich-soziale Erfolgsfaktoren für Lean, KVP & Co; Co-Autor weiterer Bücher), Blogger und Podcaster (Kaizen2go). Er beschäftigt sich schon seit 1998 mit Prozessoptimierung in unterschiedlichen Bereichen (Entwicklung, Produktion, Werkstatt, Baustellen und Verwaltung) und Branchen (Industrie, Dienstleistung, Baugewerbe und Handwerk) auf Basis von Lean und Six Sigma.

Als Berater ist er Ansprechpartner für die Geschäftsführung, Coach für Führungskräfte und Trainer für Mitarbeiter auf allen operativen Ebenen. Ihm liegt nicht nur der methodische Einsatz der Prozessoptimierung am Herzen, sondern auch die menschlichen, kulturellen und historischen Hintergründe und Grundlagen.

Mehr über Götz Müller lesen Sie auf seiner WebSite.

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