QM tut gut: Wie sich Architekten und Ingenieure wieder aufs Wesentliche konzentrieren können

Haftungsrisiken bei der Objektüberwachung | Grundlagen einer rechtskonformen Objektüberwachung – Bauleitung in der Praxis (4)

Grundlagen einer rechtskonformen Objektüberwachung – Bauleitung in der Praxis

Architekten und Ingenieure übernehmen bei der Objektüberwachung gemäß HOAI Aufgaben des Auftraggebers. Dieser delegiert mittels Vollmacht an die beauftragten Büros, was diese zu leisten haben und wofür sie befugt sind, um handlungsfähig zu sein. Eine in der Praxis schwierige Rechtsmaterie.

Für die richtige Erfüllung der Bauleitungsaufgaben tragen die beauftragten Büros, wie bei allen anderen werkvertraglichen Planungsleistungen auch, die volle technische Verantwortung. Was geschieht aber, wenn sich die Bauleitung während oder nach der Bauausführung als mangelhaft erweist? Häufig haben Auftraggeber und Büros unterschiedliche Auffassungen darüber, was zu einer umfänglichen und mangelfreien Bauleitung gehört. Die in der HOAI genannten Grundleistungen sind nur ein Anhaltspunkt dafür, welche Aufgaben im Rahmen der Bauleitung zu erfüllen sind.

Die Schwierigkeit der Objektüberwachung liegt also mitunter in der Differenzierung des passenden Arbeits- und Überwachungsaufwandes. Die große Herausforderung für Architektur- und Ingenieurbüros besteht darin, die Bauleitungsaufgaben zum einen vollständig zu erbringen und zum anderen dennoch ein positives Ergebnis mit dieser Leistungsphase zu erwirtschaften.

Prof. Dr. Thomas Benz gibt exklusiv für den QualitätsVerbund Planer am Bau Tipps, wie Architekten und Ingenieure mit Bauleitungsaufträgen richtig umgehen.

Teil 4: Haftungsrisiken bei der Objektüberwachung

Die beste Möglichkeit, Haftungsrisiken gegenüber dem Bauherrn zu begrenzen, ist eine stimmige Dokumentation des Bauablaufs. Häufig gibt es zwischen dem objektüberwachenden Ingenieur und dem Bauherrn unterschiedliche Auffassungen, wann etwa ein Überwachungsfehler vorliegt. Grundsätzlich ist ein Ausführungsmangel des Unternehmers nicht automatisch ein Überwachungsfehler der Bauleitung, wenngleich es natürlich zu den Kernaufgaben der Bauleitung zählt, Fehler des Unternehmers zu erkennen und die Beseitigung herbeizuführen.

Bei handwerklichen Fehlleistungen berufen sich Unternehmer gerne auf die mangelhafte Objektüberwachung und verkennen dabei, dass es seitens der Auftraggeber gar keine Verpflichtung gibt, eine Objektüberwachung zu beauftragen. Für die werkvertragliche Richtigkeit ihrer Leistungen sind deswegen ausschließlich die Fachfirmen selbst verantwortlich.

Beauftragt der Bauherr aber eine Bauleitung, was in der Regel der Fall ist, führen Fehler des Handwerkers, die die Bauleitung nicht erkennt, zu einer gesamtschuldnerischen Haftung für alle Folgen aus diesen Fehlern. Obwohl die Bauleitung sehr oft an der Auswahl der Firmen nicht beteiligt ist, haftet sie bei Fehlern zu einem gewissen Maße mit den Handwerkern gemeinsam. Der Bauherr kann sich dabei aussuchen, ober er die Firma oder die Bauleitung in die Haftung nehmen wird.

Um diese Mithaftung zu begrenzen, ist es für die Bauleitung wichtig, darlegen zu können, dass ihre Überwachung ausreichend war. Hierzu reicht auch ein Anscheinsbeweis. Der Anscheinsbeweis ist ein Beweis, bei dem ein Sachverhalt nach der allgemeinen Lebenserfahrung als gegeben angenommen wird. Kann die Bauleitung darlegen, dass ihr Überwachungssystem grundsätzlich geeignet ist, Fehler zu erkennen (z.B. durch den Einsatz von Checklisten oder regelmäßige Baudurchgänge) lässt sich die Mithaftung verringern. Entsteht beispielsweise ein handwerklicher Fehler kurz nach einem Kontrollgang, der bis zum nächsten Kontrollgang nicht mehr sichtbar ist, gilt der Beweis des ersten Anscheins, d.h. die Bauleitung konnte den Fehler trotz Kontrolldurchgang gar nicht erkennen. Deswegen sollten Kontrollgänge, bei denen keine Auffälligkeiten erkannt wurden, ebenfalls dokumentiert werden.

Merke:

Es ist zwar geboten, so viel wie möglich schriftlich und mit Bildern zu dokumentieren. Allerdings reicht in vielen Fällen auch der Beweis des ersten Anscheins, der auf die allgemeine Lebenserfahrung setzt und zulässt, dass eben nicht alles dokumentiert werden muss.

Tipps für die Praxis:

  1. Installieren Sie Routineprozesse für die Baukontrolle, z.B. täglich zwischen 11:00 - 12:00 Uhr.
  2. Kontrollen ohne Auffälligkeiten sollten sicherheitshalber dokumentiert werden, z.B. im Bautagebuch.
  3. Checklisten, die konsequent eingesetzt werden, verringern das Haftungsrisiko in der Bauleitung.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz

 

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz

studierte technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart mit Schwerpunkt Baubetrieb, Controlling und Organisation. Anschließend promovierte er 2000 am dortigen Institut für Baubetriebslehre. Seit 2006 hat er die Professur für Baubetriebslehre, Bauwirtschaft und Schlüsselfertigbau an der Hochschule für Technik Stuttgart, zuletzt als Dekan. Neben praktischen Tätigkeiten in Bauunternehmen sowie Bauträgergesellschaften arbeitete er auch in Ingenieurgesellschaften, wo er u.a. das QualitätsZertifikt Planer am Bau einführte. Heute arbeitet er auch freiberuflich als Berater in der Baubranche (u.a. Prozessoptimierung, QM, Strukturentwicklung...), ist Beirat in einem mittelständischen Bauunternehmen und Mediator...

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