QM tut gut: Wie sich Architekten und Ingenieure wieder aufs Wesentliche konzentrieren können

Die Vollmacht | Grundlagen einer rechtskonformen Objektüberwachung – Bauleitung in der Praxis (1)

Grundlagen einer rechtskonformen Objektüberwachung – Bauleitung in der Praxis

Architekten und Ingenieure übernehmen bei der Objektüberwachung gemäß HOAI Aufgaben des Auftraggebers. Dieser delegiert mittels Vollmacht an die beauftragten Büros, was diese zu leisten haben und wofür sie befugt sind, um handlungsfähig zu sein. Eine in der Praxis schwierige Rechtsmaterie.

Für die richtige Erfüllung der Bauleitungsaufgaben tragen die beauftragten Büros, wie bei allen anderen werkvertraglichen Planungsleistungen auch, die volle technische Verantwortung. Was geschieht aber, wenn sich die Bauleitung während oder nach der Bauausführung als mangelhaft erweist? Häufig haben Auftraggeber und Büros unterschiedliche Auffassungen darüber, was zu einer umfänglichen und mangelfreien Bauleitung gehört. Die in der HOAI genannten Grundleistungen sind nur ein Anhaltspunkt dafür, welche Aufgaben im Rahmen der Bauleitung zu erfüllen sind.

Die Schwierigkeit der Objektüberwachung liegt also mitunter in der Differenzierung des passenden Arbeits- und Überwachungsaufwandes. Die große Herausforderung für Architektur- und Ingenieurbüros besteht darin, die Bauleitungsaufgaben zum einen vollständig zu erbringen und zum anderen dennoch ein positives Ergebnis mit dieser Leistungsphase zu erwirtschaften.

Prof. Dr. Thomas Benz gibt exklusiv für den QualitätsVerbund Planer am Bau Tipps, wie Architekten und Ingenieure mit Bauleitungsaufträgen richtig umgehen.

Teil 1: Die Vollmacht

Die Klarstellung der Vollmachtregelung, zum einen in der Beziehung zum Bauherrn und zum anderen im Umgang mit den Fachfirmen und Sonderfachleuten, ist von großer Bedeutung. Objektüberwachende Architektur- und  Ingenieurbüros sollten dringend vor Beginn ihrer Bauleitungstätigkeiten mit dem Bauherrn klären, welche Handlungen sie für den Auftraggeber ausführen dürfen. Idealerweise stehen diese im Ingenieurvertrag. Ist keine vertragliche Regelung getroffen, so muss das Büro auf eine originäre Vollmacht bestehen, in der die übertragenen Aufgaben ausdrücklich erwähnt sind.

Nach allgemeiner Auffassung beinhaltet die originäre Vollmacht

  • das Genehmigen der Ausführungsunterlagen von Bauhandwerkern in technischer Hinsicht,
  • ein gemeinsames, technisches Aufmaß mit dem Handwerkern aufzustellen,
  • fachliche Weisungen auf der Baustelle zu erteilen,
  • Angebote, Abschlags- und Schlussrechnungen sowie Stundenlohnzettel entgegenzunehmen und zu prüfen, nicht jedoch anzuerkennen sowie
  • Mängelrügen auszusprechen und Fristen für die Mängelbeseitigung zu setzen.

Nicht bevollmächtigt sind Architekten und Ingenieure,

  • die rechtsgeschäftlichen Abnahme durchzuführen,
  • Nachfristen mit Kündigungsandrohungen auszusprechen,
  • vertragliche Leistungen und Termine zu ändern,
  • Vertragsstrafen vorzubehalten,
  • Stundenlohnarbeiten zu beauftragen,
  • Aufträge zu erteilen und Verträge für den Bauherren abzuschließen sowie
  • Willensbekundungen mit wirtschaftlichen Folgen für den Bauherren abzugeben.

Rechtlich umstritten ist z.B. das Entgegennehmen von Mehrvergütungsanzeigen (Nachträgen), Behinderungsanzeigen und Bedenkenanmeldungen. Viele öffentliche Auftraggeber regeln bereits heute, dass selbst Mängelrügen vom Bauherrn selbst auszusprechen sind.

Merke:

Grundsätzlich gilt, dass durch Architektur- und Ingenieurbüros nur technische, allerdings nie rechtsgeschäftliche oder wirtschaftliche Handlungen erbracht werden dürfen. Dies ist und bleibt Aufgabe der Bauherren.

Tipps für die Praxis:

  1. Klären Sie die Zuständigkeiten zwischen Bauherr und Objektüberwacher.
  2. Definieren Sie die Prozesse, wie beispielsweise mit Vorgängen bei Nachträgen, Behinderungsanzeigen oder Mängelmeldungen umzugehen ist.
  3. Fordern Sie in beiderseitigem Interesse eine eindeutige Vollmacht ein, die idealerweise vom Bauherrn zu erstellen ist.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz

 

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Benz

studierte technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart mit Schwerpunkt Baubetrieb, Controlling und Organisation. Anschließend promovierte er 2000 am dortigen Institut für Baubetriebslehre. Seit 2006 hat er die Professur für Baubetriebslehre, Bauwirtschaft und Schlüsselfertigbau an der Hochschule für Technik Stuttgart, zuletzt als Dekan. Neben praktischen Tätigkeiten in Bauunternehmen sowie Bauträgergesellschaften arbeitete er auch in Ingenieurgesellschaften, wo er u.a. das QualitätsZertifikt Planer am Bau einführte. Heute arbeitet er auch freiberuflich als Berater in der Baubranche (u.a. Prozessoptimierung, QM, Strukturentwicklung...), ist Beirat in einem mittelständischen Bauunternehmen und Mediator...

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