Kano-Modell
Wie in einem früheren Artikel erwähnt, ist es wichtig, Kundenanforderungen und Merkmale einer Leistung (Produkt oder Dienstleistung) angemessen zu verstehen, um die eigenen Prozesse, die dafür notwendig sind, geeignet auszurichten und zu gestalten.
Ein nützliches Hilfsmittel dazu ist das sogenannte Kano-Modell nach seinem Erfinder Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio. Das Modell stellt Kundenwünsche und -forderungen den Leistungsmerkmalen eines Angebots gegenüber. Visualisiert wird dies in einer zweidimensionalen Darstellung, die die drei wichtigsten Kategorien enthält.
Merkmalkategorien
Basisanforderungen
werden nicht speziell gefordert, ihr Vorhandensein wird vorausgesetzt. In diesem Fall ist der Kunde weder zufrieden noch unzufrieden. Sind sie allerdings nicht vorhanden, schlägt dies sehr schnell in Enttäuschung um.
Leistungseigenschaften
werden typischerweise spezifiziert und damit ausdrücklich gefordert. Sie können bspw. das Ergebnis von Kundenumfragen sein. Wenn sie vorhanden sind, ist der Kunden zufrieden, sind sie es nicht, ist er unzufrieden. Diese Merkmale werden auch mit “mehr ist besser” umschrieben.
Begeisterungsmerkmale
sind dem Kunden unbekannt und deshalb oft am schwierigsten zu definieren und entwickeln. Sind diese Merkmale vorhanden, kommt es zur Begeisterung (Wow-Faktoren), sind sie es nicht, ist der Kunde weder zufrieden noch unzufrieden. In diese Kategorie fallen z.B. auch Innovationen.
Beispiele zur Verdeutlichung
Auto
Basisanforderungen
- Räder
- Licht
Leistungseigenschaften
- Hubraum
- niedriger Benzinverbrauch
Begeisterungsmerkmale
- zusätzliche abnehmbare Sitzbezüge
Pizza-Dienst
Basisanforderungen
- heiß
- saubere Verpackung
Leistungseigenschaften
- Käse
- schnelle Lieferung
Begeisterungsmerkmale
- Extraflasche Wein
- Vergütung bei verzögerter Lieferung
Hotelzimmer
Basisanforderungen
- Bett
- Badezimmer
Leistungseigenschaften
- Frühstücksbuffet
Begeisterungsmerkmale
- kostenloser Zimmerservice
Zwei weitere Kategorien im Kano-Modell sind die unerheblichen Merkmale und die Rückweisungsmerkmale. Beide Kategorien sind noch stärker als die vorgenannten Merkmale kundenspezifisch.
unerhebliche Merkmale
Auto
- Automatikgetriebe
- Anhängerkupplung
Pizza-Dienst
- vegetarische Pizza im Angebot bei Nicht-Vegetariern
Hotel
- Farbe der Bettwäsche und des Teppichs
Zurückweisungsmerkmale
Auto
- Marke, Design
- Bauart, Treibstoff
Pizza-Dienst
- Anrufbeantworter zur Bestellaufnahme
Hotelzimmer
- laute Umgebung
- unfreundliche Bedienung
Worin besteht jetzt die Problematik mit Begeisterungsmerkmalen?
- Sie verursachen zukünftige Erwartungen
- Sie werden zu Leistungseigenschaften oder Basisanforderungen – allmählich oder unter Umständen sogar sofort
- Mögliche Wechselwirkungen mit Basisanforderungen
- Sie können andere Geschäftsvorfälle beeinträchtigen (“kannibalisieren”)
Den Basisforderungen und den Leistungseigenschaften liegen normalerweise immer definierte Prozesse zugrunde, da diese Leistungen sonst nicht erbracht werden können. Bei den Begeisterungsmerkmalen muss dies nicht immer der Fall sein. Manchmal entstehen sie auch nur durch die Initiative eines Mitarbeiter. Aus diesen Gründen ist es sehr wichtig, Begeisterungsmerkmale und vorallem auch deren Einführung und Ausgestaltung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern sowohl für die Entwicklung der Merkmale als für die Leistungserbringung einen definierten Prozess zu haben. Sonst kann die Begeisterung schnell oder mittelfristig sehr einfach in Enttäuschung umschlagen.
Götz Müller
ist Ingenieur, Berater, Redner, Autor (NLP in der Lean-Praxis – Menschlich-soziale Erfolgsfaktoren für Lean, KVP & Co; Co-Autor weiterer Bücher), Blogger und Podcaster (Kaizen2go). Er beschäftigt sich schon seit 1998 mit Prozessoptimierung in unterschiedlichen Bereichen (Entwicklung, Produktion, Werkstatt, Baustellen und Verwaltung) und Branchen (Industrie, Dienstleistung, Baugewerbe und Handwerk) auf Basis von Lean und Six Sigma.
Als Berater ist er Ansprechpartner für die Geschäftsführung, Coach für Führungskräfte und Trainer für Mitarbeiter auf allen operativen Ebenen. Ihm liegt nicht nur der methodische Einsatz der Prozessoptimierung am Herzen, sondern auch die menschlichen, kulturellen und historischen Hintergründe und Grundlagen.