QM tut gut: Wie sich Architekten und Ingenieure wieder aufs Wesentliche konzentrieren können

Führen heißt Vorleben, alles andere ist Dressur | Boris Grundl

Führungskraft ist ein Beruf wie Maler, Schlosser oder Architekt. Der Maler weiß, wie er seinen Pinsel benutzt, der Schlosser, wie er sein Schweißgerät bedient und der Architekt, wie er ein Gebäude entwirft. Jeder kennt seine Aufgabe. Fachkompetente Menschen sind daher große Experten auf ihrem Gebiet. Das müssen sie auch sein. Darin liegt ihre Stärke. Doch jeder Experte, jeder selbstständige Architekt oder Ingenieur braucht ein Team, damit er optimal wirken kann.

 

Ihre Art der Mitarbeiterführung bestimmt den Erfolg Ihres Unternehmens. Doch wissen Sie eigentlich, was genau Ihre Aufgaben als Führungskraft sind? Und wie Ihre Mitarbeiter Sie wahrnehmen? Wer Mitarbeiter führen will, muss sich bewusst sein, wie stark das Verhalten der Führungskraft auf die Leistung ihrer Mitarbeiter einzahlt – oder sie behindert. Dazu eine kleine Einführung:

Das Experiment

Der amerikanische Psychologe Robert Rosenthal wählte in den 1960er-Jahren für einen Versuch über die Lehrer-Schüler-Interaktionen zwei Grundschulen aus. Die eine lag in einem Arbeiterviertel mit einem hohen Anteil ungebildeter Immigranten aus Mexiko, die andere Schule in einer reichen Gegend. Rosenthal führte an beiden Schulen Leistungstests durch. Er stellte fest, dass die Schüler an der Schule in der reichen Gegend deutlich besser abschnitten. Keine Überraschung. Aber darauf wollte er gar nicht hinaus.

 

Vielmehr schwindelte Rosenthal jetzt den Lehrern an beiden Schulen vor, er hätte durch seine Tests jeweils 20 Prozent Hochbegabte in den Reihen der Schüler entdeckt, die unbedingt gefördert werden müssten. In Wirklichkeit hatte er an beiden Schulen 20 Prozent der Schüler einfach durch Zufall bestimmt. Sie hatten nichts miteinander gemeinsam, außer, dass ihre Lehrer sie nun für hochbegabt hielten. Das durften die Lehrer den angeblich Hochbegabten und den anderen Schülern aber nicht verraten. Denn Rosenthal gab vor, es ginge ihm in seinem Experiment um die Wirksamkeit der Begabtenförderung.

 

Nach einem Jahr wiederholte Rosenthal den Test. Tatsächlich konnten jene 20 Prozent der Schüler, die von den Lehrern für hochbegabt gehalten wurden, ihre Leistungen deutlich steigern. Bei den übrigen 80 Prozent trat kein Unterschied auf. Das heißt: Durch den reinen Glauben des Lehrers, der Schüler sei gut, wird dieser wirklich besser. Ein Prozess, der allein aufgrund einer Annahme beziehungsweise eines bestimmten Denkens bezüglich einer Person eintritt. Zu wie viel Prozent mag jeder selbst herausfinden. Entscheidend ist, dass wir andere nach dem Bild formen, das wir von ihnen im Kopf haben.

Die Bedeutung in der Führung: die Rolle des Vorbilds

Das Rosenthal-Experiment zeigt, welch große Macht Personen mit Vorbildrolle haben. Rosenthals Erkenntnisse lassen sich auf die Führungsrolle in der Wirtschaft projizieren. Praxiserfahrene Führungskräfte haben gelernt, dass das Thema „Vorbild“ aus drei Blickwinkeln betrachtet werden muss:

  • ein Vorbild sein,
  • sich an einem Vorbild orientieren und
  • das Lernen durch Nachahmen.

Wer Menschen entwickeln will, muss sich bewusst dafür entscheiden, eine Vorbildfunktion einzunehmen. Wer versucht, perfekt zu sein, wird zwei Dinge bewirken:

 

Erstens wird er eine immer größer werdende innere Kluft zwischen Realität und Wunschbild erleben. Das kostet enorme Kraft und führt zu emotionalem Ausbrennen. Menschen, die sich an einem inneren Ideal orientieren, verlieren oft den Realitätssinn. Da sie selbst ihrem Ideal nicht gerecht werden, werfen sie anderen vor, das nicht hinzubekommen, woran sie selbst gescheitert sind.

 

Zweitens wird er eine gewisse Ablehnung der zu führenden Personen erwirken, weil diese merken, dass etwas nicht stimmt. Menschen respektieren Vorbilder für ihre authentischen Stärken und lieben sie für ihre authentischen Schwächen. Perfektion weckt Aggression, keine Anziehungskraft.

Von der Wissenschaft zur Kunst: die vier Stufen der Wirkung

Ein Vorbild muss vier Stufen der Wirkung erklimmen, um in seiner Rolle eine hohe Wirkung zu entfalten. Die ersten beiden sind eine Wissenschaft, die letzten beiden eine Kunst.

  • Im ersten Schritt muss Klarheit herrschen, um was es geht. Was sind die Inhalte?
  • Im zweiten Schritt geht es darum, zu wissen, wie die beste Methodik aussieht. Wie werden die Inhalte am effektivsten vermittelt?
  • Im dritten Schritt geht es um das Timing, den passenden Zeitpunkt. Hier gilt es, zu erkennen, wann das Zeitfenster für das Vermitteln einer bestimmten Erkenntnis offen ist. Das gilt sowohl für einzelne Personen als auch für gruppendynamische Prozesse.
  • Im vierten Schritt geht es um die Legitimation (ob). Gibt eine Person oder eine Gruppe jemandem die Berechtigung, sie zu entwickeln? Diese Akzeptanz einer Autorität ist der entscheidende Schlüssel zu einer Vorbildfunktion.

Schritt vier ist nichts wert, wenn die ersten drei Schritte optimal erfüllt werden, dem Führenden aber die Gefolgschaft verweigert wird. Andersherum ist es noch schlimmer: wenn jemand die Legitimation emotional bekommt, aber nicht die Substanz der ersten drei Schritte hat. Das sind dann die Schaumschläger, die sich kurzfristig großer Beliebtheit erfreuen.

Vorsicht vor dem idealen Vorbild!

Wer in einem anderen ein Ideal sucht, sollte sich überlegen, warum er das tut. Menschen suchen dann nach einem „idealen Menschen“, wenn sie selbst nicht die volle Verantwortung für ihr Handeln übernehmen wollen. Jemand, der lernen will, muss auch lernen, die Verantwortung für das Gelernte zu übernehmen. Ein Vorbild ist niemals ein Vorbild in allen Belangen, sondern nur in dem Bereich, in dem er „vorbildliche“ Ergebnisse aufweisen kann. Das ist „Best Practice“ in Reinkultur.

 

Ein Vorbild ist jemand, der die Ergebnisse erzielt, die der Lernende noch erreichen möchte. Dabei gibt es einen wichtigen Aspekt: Vorbilder können den Menschen, denen sie als Vorbild gelten, nie absolut gerecht werden. Dazu sind die Menschen zu einzigartig und Vorbilder zu unvollkommen. Vielmehr geht es darum, möglichst wenig zu scheitern. Genauso ist es in einer Partnerschaft und in der Erziehung von Kindern. Wer wenig scheitert, hat schon viel erreicht.

 

Vorbilder scheitern aus zwei Gründen: Zum einen geben sie sich selbst nicht die Berechtigung zu führen, weil sie unbewusst das Bild eines perfekten Menschen in sich tragen. Zum anderen erkennen sie die Aufgaben einer Führungskraft nicht als zu erlernenden Beruf an. Das produziert viele Fehler.

 

Der entscheidendste Punkt einer Vorbildrolle führt uns zurück zum Experiment von Rosenthal, das auch Pygmalion-Effekt genannt wird: Es ist der Glaube an die zu entwickelnde Person. Diesen Glauben kann nur entwickeln, wer die eigene Größe in sich selbst erkannt hat und ständig weiterentwickelt. Und wieder zeigt sich: Nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen.

 

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

 

Unterstützung bekommen Sie gerne in unseren Führungskräftetrainings der Grundl Leaderhip Akademie.

 

Ihr Boris Grundl

 


 

Boris Grundl Boris Grundl

Boris Grundl

durchlief eine Blitzkarriere als Führungskraft und gehört als Führungsexperte und mitreißender Kongressredner zu Europas Trainerelite. Er ist Management-Trainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie. Boris Grundl perfektionierte die Kunst, sich selbst und andere auf höchstem Niveau zu führen. Boris Grundl ist ein gefragter Referent, Gastdozent an mehreren Universitäten und erforscht das Thema Verantwortung (www.verantwortungsindex.de). Seine Referenzen bestätigen seine Ausnahmestellung unter den Spitzen-Referenten. Keinem wird eine so hohe Authentizität und Tiefgründigkeit bescheinigt. Er redet Klartext, bleibt dabei stets humorvoll und bringt die Dinge präzise auf den Punkt. Boris Grundl ist als prominenter Experte gern gesehener Gast und Protagonist in Fernsehen und Radio (u. a. ARD, ZDF, WDR, MDR, 3sat, SWR, RBB, FFH).

 

Seine letzten Bücher: Leading Simple (2007), Steh auf! (2008), Diktatur der Gutmenschen (2010), Die Zeit der Macher ist vorbei (2012), Mach mich glücklich (2014) und Verstehen heißt nicht einverstanden sein (2017).

 

Boris Grundl: Verstehen heißt nicht einverstanden sein Boris Grundl: Verstehen heißt nicht einverstanden sein

 

Boris Grundl: Verstehen heißt nicht einverstanden sein

Econ Verlag, Oktober 2017

ISBN: 9783430202442

Preis: €18,00 (D), €18,50 Euro (A) €14,99 (ePub)

 

Leseprobe

www.wer-versteht-gewinnt.de

 

Verstehen ist der Erfolgsfaktor der Zukunft. Wer tief versteht, sieht klarer, erkennt, worum es im Kern geht, und trifft die besten Entscheidungen. Und wer tiefer verstehen will, muss überhaupt nicht einverstanden sein. Egal, ob es dabei um Wirtschaft, Politik, Gesellschaft oder Familie geht. Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden und unseren Charakter formen. Wir lernen, wie wir klug hinhören, differenziert bewerten, Perspektiven wechseln und unsere Sicht erweitern. Wer verstanden hat, handelt aus Überzeugung. So bekommen wir Haltung, sind innerlich frei – und gewinnen.

 

 

 

Kapitelübersicht zum Buch – Boris Grundl erklärt

 

Boris Grundl: Verstehen heißt nicht einverstanden sein Boris Grundl: Verstehen heißt nicht einverstanden sein

 

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